Liverpool, Fluss Mersey, 25.Mai 2015. Knapp 1,3 Millionen Menschen säumen die Ufer des Flusses, um die drei Cunard Schiffe, die drei „Queens“, gemeinsam zu sehen und zu feiern. Wie kann ein solcher Kult um eine Kreuzfahrt-Reederei entstehen? Was macht die Cunard Line so besonders? Wir erzählen es Ihnen in Teil 2 unserer Serie über die Geschichte der Reedereien.
Wir beginnen einfach direkt mit dem ersten kleinen Schock und reißen das Pflaster kurz und schmerzlos ab. Der Begründer der erzbritischen Reederei Cunard Line war nämlich…Kanadier! Samuel Cunard gründete mit einigen Mitgesellschaftern schon 1839 die British and North American Royal Mail Steam-Packet Company. Mit dieser wollte Cunard einen Post- und Liniendienst zwischen Liverpool und Boston sowie Halifax und Quebec errichten. Was auch gelang, und weshalb die Schiffe der Linie bis 1969 den Zusatz RMS trugen: Royal Mail Ship. Ab 1879 benannte sich die Reederei, die zunächst mit Kreuzfahrten wenig im Sinn hatte, in die Cunard Steamship Company Ltd. um.
Die vielen Namen der Cunard Line
Um mit dem Wettkampf um die Transatlantik-Routen mithalten zu können, nahm die Gesellschaft 1935 einen Kredit von der britischen Regierung an. Die bestand allerdings auf einer Fusion mit der White Star Line (der ehemaligen Besitzerin der Titanic). Dies führte zur Gründung der Cunard-White Star Ltd. 1950 wieder unter dem alten Namen reisend, litt die Reederei ab den 60er Jahren unter dem Aufkommen der Linienflüge – diese dominierten nun die Reisen über die Meere. 1962 benannte sich die Reederei in Cunard Line Ltd um, wurde indes 1971 durch den Mischkonzern Trafalgar House übernommen.
Auch dieser Übernahme war jedoch kein betriebliches Glück beschieden. Nach schweren finanziellen Verlusten musste sich auch Trafalgar House besinnen – und verkaufte an die norwegische Firma Kværner, die das Unternehmen 1996 zerschlug. Zwei Jahre später war nur noch das Kreuzfahrtgeschäft der ehemals den Atlantik dominierenden Reederei übrig. Dieses wurde 1998 an die Carnival Corporation verkauft und dort als Luxus-Segment im Bereich der Kreuzfahrten etabliert.
Heute gehört die Cunard Line noch immer zur Carnival Corporation & plc, wird aber unter dem britischen Teilkonzern Carnival plc. geführt. Die Queen Mary 2 ist der einzig verbliebene, echte Transatlantik-Liner, der auch bis heute den Zusatz des Postschiffs – RMS – tragen darf.
Kampf um das blaue Band
Das Blaue Band war eine Ehrung, die für das schnellste Schiff auf der Transatlantik-Route zwischen Europa und New York verliehen wurde. Ab 1860 führten die beteiligten Reedereien einen regelrechten Wettbewerb. Schließlich sollten Postschiffe Post und Güter möglichst schnell über den Atlantik transportieren! Der Schnellste zu sein, war daher wichtiger denn je. Die Reederei Cunard Line, zu diesem Zeitpunkt noch British and North American Royal Mail Steam-Packet Company, schnappte sich das Blaue Band erstmalig 1840 mithilfe der RMS Britannia und RMS Caledonia.
Da Cunard Line zu diesem Zeitpunkt noch die vielerorts üblichen Holzdampfschiffe baute, verlor die Reederei das Band 1850 an die US-Reederei Collins Line. Es dauerte 7 Jahre, bis die britische Admiralität überzeugt werden konnte, ebenfalls Schiffe aus Eisen zu bauen. Grund hierfür war auch der Holzmangel auf der britischen Insel. 1857 lief die RMS Persia vom Stapel und eroberte das Blaue Band für Cunard zurück.
Cunard hielt die Auszeichnung für die schnellsten Schiffe knapp 12 Jahre lang – bis dahin bereits ein Rekord. Die Inman Line sowie die neue White Star Line, mit der Cunard später fusionieren sollte, holten allerdings stets auf und jagten Cunard das Blaue Band wieder ab. Samuel Cunard selbst erlebte diesen kleinen Rückschlag nicht mehr. Er verstarb 1865 als reicher Mann, von Königin Victoria zum Baron ernannte, im Alter von 78 Jahren.
Cunard und das Rennen um den Transatlantik
Das Blaue Band wechselte die nächsten Jahre wiederholt den Besitzer. Erst 1893 konnten die neuen Cunard Ocean Liner Campania und Luciana es wieder für die Reederei erobern. Nun tauchten allerdings die neuen, deutschen Reedereien auf. Die Norddeutscher Lloyd und die Hapag/HAL machten sich daran, die wichtige Auszeichnung zu ergattern. Mit dieser ging in der Regel auch die Vergabe des Jobs als offizielles Postschiff einher. Für gute 10 Jahre waren die Deutschen auf dem Atlantik nicht mehr zu schlagen.
Cunard, durch die steten Rückschläge finanziell angeschlagen, stand kurz davor, durch den bekannten Banker John Pierpont Morgan aufgekauft zu werden. Es gelang der Reederei allerdings, über die britische Krone ein Darlehen von knapp 12 Millionen Pfund sowie jährliche Subventionen zu erlangen. Mit diesen Geldern wurden die Schwesternschiffe RMS Lusitania und RMS Mauretania gebaut, die ab 1907 Fahrt aufnahmen – und das Blaue Band eroberten. Die Deutschen waren geschlagen, und für die nächsten 22 Jahre hielt die RMS Mauretania den Geschwindigkeitsrekord.
Cunard Line und die Weltkriege
Der Erste Weltkrieg forderte ab 1914 Opfer auf vielen Seiten. Auch die Cunard Line verlor sowohl Mannschaften als auch Schiffe. So wurde die RMS Lusitania durch ein deutsches U-Boot torpediert, was fast 1.200 Opfer das Leben kostete und die USA zum Eintritt in den Krieg bewog. Der Wiederaufbau begann unmittelbar nach Ende des Krieges, und der Kampf um das Blaue Band brandete wieder auf – zum letzten Mal. Die Weltwirtschaftskrise verlangsamte die Aufholjagd für die Cunard Line. Erst 1935 konnte ein neuer Kredit vom britischen Schatzamt erhalten werden, was aber auch die Zwangsfusion mit der White Star Line bedingte. 1936 lief das vielleicht berühmteste Kreuzfahrtschiff der Welt vom Stapel: Die Queen Mary.
Im Zweiten Weltkrieg verlor die Cunard-White Star Ltd weitere Schiffe, und auch weitere Leben. Vier Passagierschiffe und zwei Frachter endeten auf dem Grund des Meeres, weitere 2.000 Menschen starben. Nach dem Ende des Krieges musste sich Cunard final gegenüber der United States Line geschlagen geben, das Blaue Band wechselte letztmalig den Besitzer. Cunard nahm von hier an nicht mehr am Rennen über den Atlantik teil. Das Flugzeug löste Schiffe als schnellstes Übersee-Transportmittel ab, und Postschiffe verloren an Bedeutung. Auf finanziellen Gründen zog Cunard die Queen Elizabeth und die Queen Mary aus dem Verkehr. Die neu gebaute Queen Elizabeth 2 kündete somit 1968 von neuen Zeiten: Die goldene Ära der Kreuzfahrten begann, und die ganze Welt, vor allem Hollywood, sollte dies bemerken.
Das goldene Zeitalter der Kreuzfahrten
Schon 1922 stellte die Cunard Line einen neuen Rekord auf. Die Laconia war das erste Passagierschiff, das jemals zu einer kompletten Weltumsegelung aufbrach. Dennoch sollte es noch fast 30 Jahre dauern, bis daraus eine echte Kreuzfahrtmarke werden sollte. Hollywood wurde auf Cunard aufmerksam.
Es begann die Ära der Bell Boys, der Dinner-Tanzabende und der verwöhnten Vierbeiner, die sogar einen eigenen Hydranten an Bord bekamen. Auch Hund reist schließlich gerne auf hohem Niveau. Der Stil und Luxus der Cunard Line sorgten in den nächsten 30 Jahren dafür, dass zahllose Prominente sich zur Kreuzfahrt einschifften. In diesem Artikel erfahren Sie mehr darüber, welche Promis sich schon von der Cunard Line verwöhnen ließen. Größen wie Elizabeth Taylor und Cary Grant waren gerngesehene Gäste im britischen Ambiente. Vom Britannia Restaurant bis zum eleganten Ballsaal: Cunard stand für eine goldene Ära der Kreuzfahrt, die bis heute unvergessen ist, und Cunard nach wie vor zum ganz besonderen Erlebnis macht.
Cunard Line – Moderne Kreuzfahrten mit Stil und Niveau
Im Jahr 2003 stieg die Carnival Corporation durch geschickte Aufkäufe zum Weltmarktführer im Kreuzfahrt-Segment auf. Die umfirmierte Carnival Corporation & plc ordnete ihre Marken und Tochterfirmen komplett neu und gründete dabei den britischen Unternehmensteil Carnival plc. Letztere fungierte nun alleinverantwortlich für die schon 1998 übernommene Cunard Line. 2004 stach die Queen Mary 2 in See. Sie wurde zuvor durch die Queen getauft und trägt als erstes Schiff seit 1969 wieder den Zusatz „RMS“ für Royal Mail Ship. Bis heute ist die Queen Mary 2 der weltweit einzige, echte Ocean Liner und das einzige Postschiff. 2007 gesellte sich die Queen Victoria dazu, 2010 folgte die Queen Elizabeth. Die drei Königinnen der Meere waren vollzählig. Ein weiteres, noch unbenanntes Schiff befindet sich derzeit im Bau in der Fincantieri-Werft und soll 2022 zur Jungfernfahrt aufbrechen.
Bis heute steht Cunard Line für ausgesuchtes, britisches Ambiente mit gehobenem Service. Der Charme der Ballsäle aus den 50er und 60er Jahren ist an Bord noch immer lebendig. Stewarts in weißer Livree, der Afternoon Tea, Gentleman Hosts und mit Liebe und Stil gekochte Delikatessen warten auf jedem Cunard Kreuzfahrtschiff auf Sie. Eine Reise mit Cunard ist bis heute nicht nur eine Reise – sondern ein Erlebnis.
Kein Wunder bei so viel Geschichte, die in dieser Form einzigartig unter den weltweiten Kreuzfahrt-Reedereien ist. Überzeugen Sie sich am besten selbst und tauchen Sie ein in die Welt der Cunard Line – Sie werden es nie wieder vergessen.
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